1989 - 1990 Wende-Zeiten

Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion

Am 1. Juli 1990 trat der Staatsvertrag zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik und der DDR in Kraft. Die D-Mark wurde  zur offiziellen Währung und die soziale Marktwirtschaft in der DDR eingeführt. Der Staatsvertrag war  ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands.

Der politische Umbruch im Herbst 1989 und die ersten freien Volkskammerwahlen der DDR am 18. März 1990 trugen zu einer grundlegenden Veränderung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Situation der DDR bei. Mit dem Wahlsieg der konservativen „Allianz für Deutschland“ – bestehend aus CDU, Deutscher Sozialer Union und Demokratischer Aufbruch – eröffnete sich die Perspektive einer raschen Vereinigung beider deutscher Staaten. Unmittelbar nach Bildung der Regierung und der Wahl Lothar de Maizières zum Ministerpräsidenten der DDR wurden die Verhandlungen über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der DDR und der BRD vorangetrieben.

Parallel zu den Zwei-plus-Vier Gesprächen mit den Alliierten (Frankreich, Vereinigtes Königreich, USA und Sowjetunion) über außenpolitische Aspekte der Wiedervereinigung Deutschlands wurden zwischen den beiden deutschen Staaten die Herausforderungen der innenpolitischen Einigung besprochen. Besonders dringlich war die Klärung der Bedingungen für die Währungs- und Wirtschaftsunion. Bundeskanzler Helmut Kohl zeigte sich davon überzeugt, dass eine rasche und anhaltende Verbesserung der Lebensbedingungen in Ostdeutschland durch einen wirtschaftlichen Wiederaufbau politisch notwendig war, um die deutsche Einheit erfolgreich zu verwirklichen. Nur mit einer wirtschaftlichen Perspektive war die Übersiedlungswelle in die BRD zu stoppen und an eine Stabilisierung der politischen und ökonomischen Situation zu denken.

Die DDR sollte daher in das System der sozialen Marktwirtschaft der Bundesrepublik eingegliedert werden. Der Staatsvertrag zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion legte den Rahmen und die Bedingungen für die wirtschaftliche Einheit Deutschlands fest. Er wurde am 18. Mai 1990 durch die Finanzminister Walter Romberg (DDR) und Theodor Waigel (BRD) unterzeichnet und trat zum 1. Juli 1990 in Kraft.

Ministerpräsident Lothar de Maizière kommentierte die Unterzeichung des Staatsvertrages mit den Worten:

„Dies ist heute für uns ein wichtiger Tag. Es beginnt die tatsächliche Verwirklichung der Einheit Deutschlands. Die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion macht den Einigungsprozess unumkehrbar. Was wir heute tun, ist ein entscheidender Schritt auf unser Ziel hin, in Freiheit die Einheit Deutschlands in einer europäischen Friedensordnung zu vollenden. Der Staatsvertrag ist ein Vertrag zwischen den beiden Regierungen in Deutschland. Von seiner Substanz nach zeigt er, dass beide Regierungen gewillt sind, den Prozess der Einigung nicht von oben zu gestalten. Das Zusammenwachsen des geteilten Deutschlands beginnt vielmehr bei den Menschen und ihren Lebensverhältnissen.“

Grundlage der Verhandlungen über die Währungs- und Wirtschaftsunion war das Angebot von Bundeskanzler Helmut Kohl am Vorabend der Volkskammerwahl, die ostdeutsche Mark bis zu einer bestimmten Obergrenze zum Kurs von 1:1 umzutauschen. Vor allem die Bundesbank warnte hierbei vor den Folgen einer allzu hohen Bewertung der ostdeutschen Währung, die die Stabilität der DM gefährden könne. Nach langen Diskussionen  einigten sich die BRD und DDR im Staatsvertrag darauf, die D-Mark als offizielle Währung zum 1. Juli 1990 in der DDR einzuführen. Die Deutsche Bundesbank wurde als alleinige Währungs- und Notenbank bestimmt.

Der Umstellkurs wurde speziell gestaffelt und variierte je nach Alter. Am 2. Mai 1990 verständigte man sich auf die folgende Regelung: Alle Löhne und Gehälter sowie Renten, Pensionen, Stipendien und bestimmte Sozialleistungen sollten zum Kurs 1:1 umgestellt werden. Die Renten im Osten würden an das Niveau der BRD angeglichen. Bargeld und Sparkonten durften zum Kurs 1:1 nach folgender Staffelung umgetauscht werden: Kinder bis 14 Jahre bis zu 2.000 DDR-Mark, Personen zwischen 15 und 59 Jahren bis zu 4.000 DDR-Mark und Personen über 60 Jahre bis zu 6.000 DDR-Mark. Darüber liegende Sparguthaben wurden zum Kurs von 2:1 gewechselt. Schulden wurden ebenfalls halbiert.

Die Staffelung des Umstellkurses war eine politische Entscheidung, um den Erwartungen der DDR-Bürger entgegenzukommen und den Weg für eine Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West zu ebnen.

Wie Lothar de Maizière bereits am 18. Mai 1990 mahnte:

„Niemand soll vergessen, was die Mark der DDR heute auf einem freien Markt wirklich wert wäre. Und niemand soll sich über die tiefe Krise der DDR-Wirtschaft Illusionen machen. Wir konnten und können nicht so weiter wirtschaften wie bisher. Nicht alle Blütenträume, die manche mit dem Staatsvertrag verbunden haben, konnten in Erfüllung gehen. Aber niemand wird es schlechter gehen als bisher. Im Gegenteil.“

Mit dem Staatsvertrag über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion übernahm die DDR 1990 die soziale Marktwirtschaft und verpflichtete sich, notwendige Anpassungen an die bundesdeutsche Arbeitsrechts- und Sozialverordnung zu schaffen.

Literatur

Andersen, Uwe; Woyke, Wichard (Hrsg): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 5. aktualisierte Aufl. Opladen 2003, S. 564-566.

Grötemaker, Manfred: Probleme der inneren Einigung. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2005. (Schriftenreihe Informationen zur politischen Bildung, Heft 250) www.bpb.de/publikationen/ S2OPC0,0,0,Probleme_der_inneren _Einigung.html#art0 (27.02.2009)

Grünbaum, Robert: Deutsche Einheit. Beiträge zur Politik und Zeitgeschichte. Opladen 2000.

Streit, Manfred E.: Die Deutsche Währungsunion. In: Baltensperger, Ernst; Tietmeyer, Hans; Deutsche Bundesbank; Issing, Otmar (Hg): Fünfzig Jahre deutsche Mark: Notenbank und Währung in Deutschland seit 1948. München 1998, S. 511-558. 

Text des Vertrags über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion www.dhm.de/lemo/html/dokumente/DieDeutscheEinheit_vertrag
WaehrungsWirtschaftsSozialunion/index.html (27.02.2009)

(nsch)