Der Zentrale Runde Tisch
Der Zentrale Runde Tisch tagte erstmals am 7. Dezember 1989 im Dietrich-Bonhoeffer-Haus in Berlin. Vertreter der etablierten Parteien und von oppositionellen Gruppen nahmen an den Gesprächen teil. Bis zum 12. März 1990 trafen sich die Teilnehmer des Gremiums insgesamt 16 Mal zu Gesprächen, um über die politische Neuordnung der DDR zu beraten.
Eine zentrale Forderung der neuen oppositionellen Gruppen in der DDR des Herbstes 1989 war der geregelte Dialog mit der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) und den Blockparteien. Das setzte voraus, von der SED-Regierung als politischer Gesprächspartner anerkannt zu werden. Am 26. November 1989 einigten sich die SED und Vertreter der Oppositionsgruppen auf einen offiziellen Gesprächstermin.
Am 1. Dezember 1989 wurde auf verfassungsrechtlicher Ebene der Parteiherrschaft der SED ein Ende gesetzt: die Volkskammer der DDR stimmte mit fünf Stimmenthaltungen für die Streichung des staatspolitischen Führungsanspruchs der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) aus der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Damit war eine wesentliche Forderung der oppositionellen Gruppen erfüllt worden.
Am 7. Dezember 1989 trafen sich Vertreter der SED, der etablierten Blockparteien und der neuen oppositionellen Gruppierungen im Dietrich-Bonhoeffer-Haus in Berlin erstmals zu einem offiziellen Meinungsaustausch. Eingeladen hatte das Sekretariat des Bundes Evangelischer Kirchen und das Sekretariat der Berliner Bischofskonferenz. Es fanden sich Vertreter der etablierten Parteien CDU, DBD (Demokratische Bauernpartei Deutschlands), LDPD (Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands), NDPD (National-Demokratischen Partei Deutschlands) und SED mit den neu entstanden politischen Gruppierungen Neues Forum, Demokratie Jetzt, Demokratischer Aufbruch, Grüne Partei, Initiative für Frieden und Menschenrechte, SDP (Sozialdemokratische Partei) und Vereinigte Linke zu Gesprächen zusammen.
Auch Interessengruppen wie der Unabhängige Frauenverband und der FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund) forderten die Teilnahme an den Gesprächen ein und wurden zugelassen. Weiteren Gruppen, die Anspruch an der Teilnahme im Gremium anmeldeten, wurde ein Beobachtungsstatus zuerkannt.
Der Pressesprecher des Runden Tisches, Monsignore Dieter Grande, verlas während dieser Pressekonferenz folgende Forderung:
„Die Regierung der DDR wird aufgefordert, das Amt für Nationale Sicherheit unter ziviler Kontrolle aufzulösen und die berufliche Eingliederung der ausscheidenden Mitarbeiter zu sichern. Über die Gewährleistung der eventuell notwendigen Dienste im Sicherheitsbereich soll die Regierung die Öffentlichkeit informieren.“
Zur Eröffnung des Treffens verlas Hans Modrow eine Erklärung, in der er eindringlich um Unterstützung bei den Teilnehmern des Runden Tisches warb:
„Und ich bitte die Vertreter aller Parteien und Gruppierungen hier am Runden Tisch, den Ministerpräsidenten und seine Regierung an ihrer Aufgabe nicht zerbrechen zu lassen, sondern dafür zu sorgen, dass sie die notwendige Arbeit tun können.“
Modrow fuhr fort:
„Ich wiederhole und betone: die Regierung braucht und sucht den Rat der am Runden Tisch beteiligten Parteien und Gruppierungen. Die Demokratisierung ebenso wie die Stabilisierung und die Reform der Wirtschaft erfordern den Konsens aller verantwortungsbewussten Kräfte. Dass er streitbar herbeigeführt werden muss ergibt sich aus dem politischen Pluralismus nicht nur an diesem Tisch, insbesondere aber aus der komplizierten Situation in der DDR. Ein anderes Verständnis zum Runden Tisch hatte und habe ich nicht.“
Forderung nach Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit
Bereits im Vorfeld war die Auflösung des Amtes für Staatssicherheit (MfS), das seit dem 17. November 1989 laut Beschluss der Volkskammer als Amt für Nationale Sicherheit (AfNS) in der DDR existierte, ein zentrales Anliegen des Runden Tisches.
Egon Krenz, Nachfolger Erich Honeckers im Amt des Generalsekretärs des ZK der SED, und Wolfgang Herger, der ehemalige Leiter der Abteilung Sicherheitsfragen des ZK der SED, wurden am 22. Januar 1990 zu einer Anhörung vor dem Zentralen Runden Tisch geladen. Egon Krenz verlas dabei folgende Erklärung:
„Lassen Sie uns nach unserem heutigen Erkenntnisstand folgendes darlegen. Ich möchte betonen, nach unserem heutigen Erkenntnisstand:
1. Das Verhältnis von SED und Ministerium für Staatssicherheit widerspiegelt sich besonders klar in der vom Ministerium für Staatssicherheit verwandten Losung „Schild und Schwert der Partei“ zu sein. Darin drückte sich in Worten ein Führungsanspruch der Partei gegenüber dem Ministerium für Staatssicherheit aus und zum anderen die Forderung an die prinzipielle Treue der Mitarbeiter zur Partei. In Wirklichkeit entwickelte sich das Ministerium für Staatssicherheit zunehmend zu einem nach außen hin abgeschirmten Staat im Staate, der selbst Mitglieder der Partei unter Kontrolle nahm. Bis zu seiner Ablösung als Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates hat sich Erich Honecker vorbehalten, persönlich über Erkenntnisse des Ministeriums für Staatssicherheit informiert zu werden. In der Regel gab es jeden Dienstag nach der Sitzung des Politbüros eine Beratung zwischen ihm und dem Minister für Staatssicherheit. Wolfgang Herger und ich können erklären, an diesen Besprechungen waren wir nicht beteiligt. Die Informationen des Ministeriums für Staatssicherheit betrafen sowohl außenpolitische wie innenpolitische Vorgänge. Sie wurden vom Minister für Staatssicherheit, dem Generalsekretär und je nach Arbeitsgebiet auch anderen Mitgliedern des Politbüros, Abteilungsleitern des Zentralkomitees und zuständigen Ministern der Regierung geheim übergeben.“
Der Runde Tisch als politischer Partner der DDR-Regierung
Der Runde Tisch wurde für die Regierung Modrow zu einem gewichtigen politischen Partner. Das Gremium unterstützte Modrow in der Regierung der „Nationalen Verantwortung“. Einzig die Vereinigte Linke nahm Abstand zu dieser Zusammenarbeit. Am 22./23. Januar forderte Modrow den Runden Tisch auf, Vertreter zu benennen, die als Mitglieder des Ministerrates in die Regierung eintreten sollten.
Am darauf folgenden Tag informierte Oberkirchenrat Martin Ziegler über Ergebnisse des Treffens. Man hatte sich auf den 18. März 1990 als Wahltermin für die ersten freien Volkskammerwahlen verständigt und die Kommunalwahlen auf den 6. Mai 1990 festgelegt. Außerdem konnte sich auf die Bildung einer Regierung der Nationalen Verantwortung geeinigt werden, in der Gruppierungen, die bislang nicht in der Regierung beteiligt waren, je einen Minister ohne Geschäftsbereich stellen sollten. Ein Minister sollte für den Runden Tisch bestimmt werden, der die Kommunikation zwischen Regierung und Runden Tisch garantieren sollte.
Literatur
Hahn, André: Der Runde Tisch. Das Volk und die Macht – Politische Kultur im letzten Jahr der DDR, Berlin 1998.
Haufe, Gerda; Bruckmeier, Karl (Hg.): Die Bürgerbewegungen in der DDR und in den ostdeutschen Bundesländern, Opladen 1993.
(ms)