1989 - 1990 Wende-Zeiten

Niederschlagung der Protestbewegung auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking 1989

In der Nacht vom 3. auf den 4. Juni 1989 wurden Studentenproteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens, dem Tiananmen-Platz, im Zentrum Pekings mit einem blutigen Militäreinsatz der chinesischen Volksbefreiungsarmee beendet. Tausende Menschen wurden verletzt und Hunderte getötet. Während die Weltöffentlichkeit das brutale Vorgehen scharf verurteilte, bekundete das Politbüro der SED seine Solidarität mit der chinesischen Regierung.
„Einheiten der chinesischen Volksbefreiungsarmee haben in der vergangenen Nacht den Tiananmen-Platz in Peking geräumt, teilte das chinesische Fernsehen mit, weil Konterrevolutionäre den Sturz der sozialistischen Ordnung beabsichtigt haben."

Mit diesen Worten berichtete die Nachrichtensendung der DDR „Aktuelle Kamera“ von der blutigen Niederschlagung der Studentenproteste in Peking in der Nacht vom 3. zum 4. Juni 1989.

Auf dem Platz des Himmlischen Friedens, dem Tiananmen-Platz, im Zentrum Pekings, hatten sich Studenten versammelt, um ihren Forderungen nach Demokratisierung der Volksrepublik China (VR China) durch Streiks und Demonstrationen Ausdruck zu verleihen. Die Proteste begannen bereits im April 1989 und nahmen immer größere Ausmaße an. Schließlich ordnete die Staats- und Parteiführung der Volksrepublik das militärische Vorgehen gegen die Demonstranten an. Das chinesische Militär – die Volksbefreiungsarmee – sollte den Platz des Himmlischen Friedens räumen und der Protestbewegung damit ein Ende setzen.

 

Bei dem militärischen Einsatz gegen die demonstrierende Zivilbevölkerung in Peking wurden nach nicht offiziellen Angaben mehrere tausend Menschen verletzt und Hunderte getötet.

Die DDR solidarisiert sich mit der VR China

Das Massaker am und um den Tiananmen-Platz wurde weltweit mit Erschütterung aufgenommen und scharf verurteilt. Mehrere Staaten beschlossen Wirtschaftssanktionen gegen China.

Anders reagierte jedoch die DDR-Regierung: Das Politbüro der SED bekundete unverzüglich seine Solidarität mit der chinesischen Entscheidung, dem „konterrevolutionären Aufruhr“ militärisch ein Ende zu bereiten.

Am 8. Juni 1989 verkündete der Abgeordnete Ernst Timm (SED) auf der 9. Volkskammertagung unter Beifall:

„Die Abgeordneten der Volkskammer stellen fest, dass in der gegenwärtigen Lage die von der Partei- und Staatsführung der Volksrepublik China beharrlich angestrebte politische Lösung innerer Probleme infolge der gewaltsamen, blutigen Ausschreitungen verfassungsfeindlicher Elemente verhindert worden ist. Infolge dessen sah sich die Volksmacht gezwungen, Ordnung und Sicherheit unter Einsatz bewaffneter Kräfte wieder herzustellen. Dabei sind bedauerlicherweise zahlreiche Verletzte und auch Tote zu beklagen.“

Für die SED waren Demokratieforderungen und Oppositionsbewegungen in der DDR eine existentielle Bedrohung des eigenen Systems. Die Solidaritätsbekundungen der SED mit der chinesischen Staats- und Parteiführung nach dem 4. Juni 1989 signalisierte zwangsläufig eine Warnung an die Oppositionsbewegung im eigenen Land.

Angefangen mit der Volkskammer-Erklärung am 8. Juni 1989 bekräftigte die DDR fortwährend ihre uneingeschränkte Unterstützung der Entscheidung der Volksrepublik China, militärisch gegen die „Konterrevolutionäre“ vorgegangen zu sein. Am 12. Juni 1989 bekundete der Außenminister der DDR gegenüber seinem chinesischen Amtskollegen Qian Qichen in Ostberlin „die Solidarität und Verbundenheit mit der Volksrepublik China und dem chinesischen Brudervolk“.

Den Höhepunkt stellte die sechstägige Reise von Egon Krenz, dem damaligen Stellvertreter des Staatsratsvorsitzenden der DDR, nach China im September 1989 dar. Er war zu den Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der Volksrepublik China eingeladen und bezeugte die Solidarisierung der DDR.

Hintergrund der Protestbewegung in Peking

Die Studentenproteste in Peking auf dem Platz des Himmlischen Friedens begannen wie in anderen chinesischen Städten bereits im April 1989 anlässlich des Todes von Hu Yaobang (15. April 1989). Der ehemalige Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas wurde parteiintern für die „ausufernden“ Studentendemonstrationen 1986/87 verantwortlich gemacht und seines Amtes enthoben. Die Studenten forderten 1989 anlässlich seines Todes die Rehabilitierung Hu Yaobangs. Gleichzeitig sollten die Demokratie-Bewegungen im Land durch öffentliche Proteste in Peking wieder ins Bewusstsein der Menschen gerückt werden.

Nach und nach schlossen sich weitere Teile der Pekinger Bevölkerung der Protestbewegung an. Eine Vielzahl der Studenten auf dem Platz des Himmlischen Friedens trat in den Hungerstreik. Die Protestierenden setzten große Hoffnungen in den Besuch von Michail Gorbatschow, der vom 15. bis zum 18. Mai 1989 zu einem Gipfeltreffen nach Peking reiste.

Die Studenten forderten liberale Reformen, wie sie Gorbatschow durch seinen Reformkurs „Glasnost“ und „Perestroika“ verkörperte. In der Anwesenheit der internationalen Presse aus Anlass des Staatsbesuches sahen sie eine Möglichkeit, die Aufmerksamkeit der Welt auf ihre Belange zu richten.

Die offizielle Begrüßung von Gorbatschow musste kurzfristig am Flughafen in Peking ausgerichtet werden, da der Platz des Himmlischen Friedens, der ursprünglich dafür vorgesehen war, bereits von Demonstranten besetzt war.

Berichterstattung in der DDR

Das Fernsehen der DDR unterstand dem direkten Einfluss des SED-Regimes und legte die Ereignisse in China im Sinne der Parteiführung aus. Die Nachrichtensendung „Aktuelle Kamera“ und die politischen Fernseh-Magazine „Objektiv“ und „Der schwarze Kanal“ boten daher eine ideologisch verzerrte Berichterstattung.

 

Am 20. April 1989 nahm die „Aktuelle Kamera“ die Meldung von den Studentenprotesten in die Nachrichten auf. Es hieß, Tausende Studenten würden um den ehemaligen Generalsekretär des ZK der Kommunistischen Partei Chinas Hu Yaobang öffentlich trauern, es hätten sich aber Unruhestifter unter die Studenten gemischt, die „demagogische Reden“ halten würden.

Die „Aktuelle Kamera“ vom 17. Mai 1989 informierte von der Aufforderung der Regierung der Volksrepublik China an die Studenten, ihre Massenkundgebungen aufzugeben.

Ab diesem Zeitpunkt wurde regelmäßig in der „Aktuellen Kamera“ von den Demonstrationen und Studentenprotesten in Peking berichtet. Zunächst sprach das DDR-Fernsehen von „extremen Minderheiten“, die Unruhe stiften würden. Nach dem blutigen Vorgehen des chinesischen Militärs gegen die Demonstranten am 4. Juni mussten diese nun als „Konterrevolutionäre“ bezeichnet werden, um das Massaker rechtfertigen zu können.

Karl Eduard von Schnitzler bezeichnete die Demonstranten in seiner Sendung „Der schwarze Kanal“ sogar als „konterrevolutionäre Mörder". Dass die westliche Presse von einem Massaker spreche, so von Schnitzler, entspräche der Absicht, eine Massenhysterie auslösen zu wollen.

Lutz Pohle, China-Korrespondent und Sinologe, sprach als Gast in der Sendung „Objektiv“ von „Provokateuren“, die sich unter die Studenten gemischt hätten, mit dem Ziel, die sozialistische Ordnung in der Volksrepublik China zu beseitigen.

Mit dem Herbst 1989 änderte sich die Berichterstattung der DDR-Medien und die offizielle Haltung der DDR-Regierung zum Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens schlagartig. Auf der 13. Tagung der Volkskammer am 1. Dezember 1989 stellte der Abgeordnete Richard Wilhelm den Antrag, dass die Volkskammer sich von der von ihr am 8. Juni 1989 verabschiedeten China-Resolution distanzieren sollte.

Auf der 11. Tagung der Volkskammer am 7. Juni 1990 bedauerte die erste frei gewählte Volkskammer der DDR offiziell die ein Jahr zuvor verabschiedete Unterstützung des militärischen Vorgehens der chinesischen Regierung und gedachte der Opfer.

Literatur

Bögeholz, Hartwig: „Gebt uns Demokratie oder gebt uns den Tod“. China: Das Massaker und die Folgen, Reinbek bei Hamburg 1989.

Meißner, Werner (Hg.): Die DDR und China 1949 bis 1990. Politik – Wirtschaft – Kultur. Eine Quellensammlung [Bearbeitet von A. Feege], Berlin 1995.

Nathan, Andrew J.; Link, Perry: Die Tiananmen-Akte. Die Geheimdokumente der chinesischen Führung zum Massaker am Platz des Himmlischen Friedens [Aus dem Amerikanischen: U. Bischoff, A. Manzella, M. Schmidt], München, Berlin 2001.

Salisbury, Harrison E.: 13 Tage im Juni. Tiananmen-Tagebuch. Als Augenzeuge in China [Aus dem Amerikanischen: S. Knödel, I. Mees, S. Wagenbrenner, Ch. Müller-Hofstede], Frankfurt am Main 1989.

Spence, Jonathan D.: Chinas Weg in die Moderne [Aus dem Amerikanischen: G. Kurz, S. Summerer], München, Wien 1995.

Wobst, Martina: Die Kulturbeziehungen zwischen der DDR und der VR China 1949-1990. Kulturelle Diversität und politische Positionierung, Münster 2004.

(jw)