1989 - 1990 Wende-Zeiten

Neuer Alltag in der DDR: Das letzte Mal…

Die friedliche Revolution in der DDR 1989/90 brachte in Ostdeutschland neben dem politischen Umbruch auch viele Veränderungen im täglichen Leben mit sich. Die Alltagswelt wandelte sich rasant und gewohnte Ost-Produkte verschwanden aus den Regalen. Neben zahlreichen Ereignissen, die zum ersten Mal in der DDR stattfanden, mussten sich die ostdeutschen Bürger auch mit einigen „letzten Malen“ auseinandersetzen.

Durch die Währungs- und Wirtschaftsunion und die Privatisierung vieler DDR-Betriebe änderte sich das Warensortiment in den ostdeutschen Geschäften schlagartig. Fast 80 Prozent aller durch die Treuhand verkauften Betriebe gingen in den Besitz westdeutscher Firmen über, da die Finanzen in Ostdeutschland zum Erwerb der eigenen VEBs oft nicht ausreichten. Viele DDR-Produkte wurden von den neuen Betreibern aus dem Warensortiment genommen. Ein Grund hierfür war mitunter die fehlende Konkurrenzfähigkeit dieser Artikel. Zudem ließ das Konsumverhalten der Kunden, die sich oftmals eher für westdeutsche Güter entschieden, viele DDR-Produkte zu „Ladenhütern“ werden. Deshalb wurden vor der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion viele dieser DDR-Waren durch Sonderverkaufsaktionen veräußert, um in Lagern und Geschäften Platz für das neue Angebot zu schaffen.

Die erste und letzte Miss DDR

 

Am 21. September 1990 fand die erste und einzige Wahl der „Miss DDR“ in Schwerin statt. Die Veranstaltung wurde von der „MGC Miss Germany Corporation“ aus Oldenburg durchgeführt. Siegerin wurde die damals 19-jährige Leticia Koffke aus Brandenburg.

   

Der DDR-Fernsehreporter Michael Schmidt berichtete in der Aktuellen Kamera über die Wahl der Miss DDR:

„Kaum zu glauben, aber wahr: Das ist Wahlkampf. Und siehe da, dieser kommt ohne energische oder gestresste Politiker aus. Mit Glitzer, Schminke und wiegenden Hüften auf in die ersten und unwiderrufliche letzten Wahlen zur Miss-DDR, gestern Abend in Schwerin. Damit dürfte endgültig feststehen, mehr Wahlen als 1990 im Osten Deutschlands können eigentlich nicht stattfinden. Der große Auftritt von 15 Schönheiten, die Siegerinnen der fünf Länder, hervorgegangen aus sage und schreibe 3.500 Bewerberinnen. Da konnte manch verklärten Männeraugen schon entgehen, dass die wirklichen Favoritinnen vielleicht nebenan sitzen. Die Schweriner hatten offensichtlich ihren Spaß, die Jury ihre Bewertungsnöte und diverse Sponsoren ihre werbewirksame Erwähnung. Die Schönheit und das Geld. Die Miss Germany Corporation Oldenburg, der Veranstalter, baut darauf (…).

Kurz nach Mitternacht erreichte die Spannung dann ihren Höhepunkt: Bekanntgabe der DDR-Frau des Jahres. Sie ist nicht Politikerin sondern Studentin. Die 19-jährige Leticia Koffke aus Brandenburg. Für sie eine regelrechte Krönung, ein Auto und die Fahrkarte nach Taiwan. Denn dort finden im Dezember internationale Miss-Wahlen statt. Ein Stück schöne DDR auf dem Weg in die weite Welt.“

In der DDR waren Miss-Wahlen bis weit in die 1980er Jahre verboten gewesen. Die westlichen Schönheitskonkurrenzen wurden von offizieller Seite als kapitalistische Ausbeutung bezeichnet. In der Bevölkerung gab es jedoch durchaus ein Interesse an den Schönheitswettbewerben, was dazu führte, dass in der DDR als Kulturveranstaltung getarnte Misswahlen veranstaltet wurden.

Die erste öffentliche Schönheitskonkurrenz fand erst 1986 statt und wurde unter Beobachtung der Staatsmacht als Wahl der „Miss Frühling“ ausgegeben. Auf regionaler Ebene wurden solche Veranstaltungen kurz darauf vom DDR-Regime erlaubt. Anfang der 90er Jahre wurden Allerorten Schönheitskonkurrenzen veranstaltet. Den Abschluss dieser Entwicklung bildete die Wahl der Miss-DDR. Mehrere 1.000 Frauen hatten sich für diese Wahl beworben.

Die Siegerin Leticia Koffke belegte anschließend als Miss DDR den zweiten Platz bei der Wahl der Queen of the World. Im Dezember 1990 wurde sie zur ersten gesamtdeutschen Miss Germany seit 1933 gewählt.

Nur zwei Minuten war Sarah Klier Staatsbürgerin der DDR – 120 Sekunden die sie deutschlandweit bekannt machten. Am 2. Oktober um 23.58 Uhr erblickte sie in der Leipziger Frauenklinik das Licht der Welt. Ihr Name war der letzte Eintrag im amtlichen Melderegister der DDR, welches danach für immer geschlossen wurde. Das erste Foto der kleinen Sarah ging 1990 um die Welt. Zu ihrem 18. Geburtstag, als sie und die Wiedervereinigung „erwachsen“ wurden, tauchte ihr Bild erneut in zahlreichen deutschen Zeitungen auf.

Der Wartburg war in der DDR ein begehrtes Mittelklasseauto gewesen. Nach der politischen Wende erwies sich der ostdeutsche Premium-PKW jedoch als nicht mehr konkurrenzfähig. Im April 1991 wurde der Wartburg endgültig auf den „Schrottplatz“ der Geschichte verbannt. Nach 93 Jahren Automobiltradition und fast 2 Millionen verkauften Wartburg aller Baureihen wurde das VEB Automobilwerk Eisenach (AWE), die früheren Eisenacher Motorenwerke (EMW), von der Treuhand geschlossen.

Von dem einstigen auch auf internationaler Ebene erfolgreichen Exportartikel war in den letzten Jahren der DDR nicht viel mehr geblieben als ein Produkt für den inländischen Markt mit vergleichsweise hohem Preis und langen Wartezeiten. Im Zuge der Grenzöffnung sowie der Währungs- und Wirtschaftsunion wurde es der Bevölkerung nun auch möglich, West-Autos ohne vergleichbare Wartezeiten zu erwerben.

Nach dem Mauerfall wurde das Automobilwerk Eisenach von Opel übernommen, um dort ab 1992 den Vectra herzustellen. Geplant war zunächst, bis dahin noch weitere 15 000 Viertakt-Wartburg zu produzieren. Die PKWs kosteten jedoch in der Herstellung bereits 14 400 Mark. Die Treuhandanstalt zog daraufhin am 21. Januar 1991 die Notbremse und das Ende des Wartburgs war besiegelt. Am 10. April 1991 lief in Eisenach der letzte Wartburg vom Band.

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Am 30. April 1991 ging die Ära des Trabanten, kurz „Trabi“ genannt, nach offiziell 3.096.099 produzierten Exemplaren zu Ende. Das Fahrzeug mit der Kunststoffkarosserie war seit 1957 im VEB Sachsenring Automobilwerke Zwickau hergestellt worden.

Anlässlich der Werksschließung hielt der Betriebsratsvorsitzende Fritz Warth am 30. April eine Abschiedsrede, über die im Abendjournal berichtet wurde:

„Am heutigen Tag wird uns als Arbeitnehmer noch einmal so richtig bewusst, welches Erbe die Führung der ehemaligen DDR uns hinterlassen hat. Wir sollten uns ruhig noch einmal daran erinnern, dass diese Regierung im Zeitraum von 1968 bis 89 fünfzehn Beschlüsse zur Weiterentwicklung der PKW-Produktion fasste, aber nur den letzten, den Viertaktmotor verwirklichte. Die Folgen dieser Volksverdummung haben wir alle über Jahrzehnte gespürt. Keine Investitionen, weil wir ja ein neues Werk bauen. Arbeit für den Papierkorb unserer Techniker und vieles mehr.“

Als letztes Modell wurde der Trabant 1.1 in der DDR auf den Markt gebracht. Dieser hatte jedoch einen schweren Start. Die DDR-Bürger wollten ihre einst geliebte „Rennpappe“ nicht mehr haben und gaben nach der Währungs- und Wirtschaftsunion „Westautos“ den Vorzug. Nicht unschuldig daran war die inkonsequente Entwicklung dieses neuen Modells, welches alle technischen Veränderungen in einer so gut wie unveränderten Karosserie verbarg. Selbst Dumpingpreise und offensive Werbung konnten den Absatz nicht verbessern.

Am 30. April 1990 wurde der letzte Trabbi – in der Farbe Pink – montiert. Was im Jahre 1990/91 niemand ahnen konnte: Nur wenige Jahre später sollte der Trabant Kultstatus erhalten.

Am 11. Juni 1991 stellte der Springer-Konzern das Erscheinen der Tageszeitung „Der Morgen“, die zu DDR-Zeiten das Organ der Liberal-Demokratischen Partei gewesen war, trotz der noch knapp ein Jahr zuvor gegebenen Bestandsgarantie ein. Der Chefredakteur Hans-Dieter Degler bedauerte in einem Interview mit dem Mittagsjournal die Einstellung seiner Zeitung:

„Ich bin hier mit viel Optimismus angetreten und für mich ist es natürlich auch sehr bitter. Denn ich glaube wir haben n’ journalistisches Spitzenprodukt abgeliefert, das meist zitierte von den Ostblättern im Westen. Ich habe gerad’ auf meinem Schreibtisch gerade gekriegt wieder ‘ne Eloge aus der New York Times über investigativen Journalismus wie wir ihn machen. Letzte Woche sind drei Mitglieder der Redaktion mit dem Wächterpreis der Tagespresse ausgezeichnet worden. Also ich glaub’ das Konzept ist schon richtig, nur sie können natürlich nur ein Blatt machen, dass auch angenommen wird und wenn die, wenn die Gruppe, die sie im Kopf haben halt sehr klein ist und das zu lange dauert und das Geld ist nicht da, dann ist Feierabend und das ist uns heute passiert.“

Im Dezember 1991 fand die DDR-Rechner-Produktion des ehemaligen VEB Kombinats Robotron ihr Ende.

Robotron war zu DDR-Zeiten eines der größten Kombinate im Land gewesen. Anfang 1990 umfasste der Verbund noch 21 Betriebe. Im Zuge des wirtschaftlichen Umbruchs in der DDR wurde das Kombinat als wirtschaftliches Organ aufgelöst und die einzelnen Teile in Kapitalgesellschaften mit der Treuhandanstalt als alleinigem Anteilseigener umgewandelt. Im Jahr 1990 löste sich die umbenannte Robotron-Büromaschinenwerk AG in Sömmerda als erster Betrieb aus dem Robotron-Verband heraus.

Die Aussichten auf dem freien Markt zu bestehen, waren jedoch von Anfang an nicht die Besten: Im Bereich Computertechnik hatte die DDR einen deutlichen Rückstand gegenüber der Bundesrepublik. Mit der Grenzöffnung und der Einführung der Deutschen Mark am 1. Juli 1990 konnten Privatpersonen und Betriebe auf das vielfältige und oft qualitativ hochwertigere Angebot auf dem freien Mark zugreifen. Dies hatte zur Folge, dass der Absatz in der DDR-Computer-Branche zusammenbrach.

Am 5. Dezember wurde in der Robotron-Büromaschinenwerk AG in Sömmerda der letzte Computer montiert. Für viele der damals noch 9.200 Beschäftigten bedeutete das zunächst den Weg in die Arbeitslosigkeit.

Von den ursprünglich über 65.000 Beschäftigten des VEB Kombinats Robotron konnten weniger als fünf Prozent in Nachfolgeunternehmen wechseln. Einige fanden später in anderen Betrieben, die im Großraum Dresden, Chemnitz und Sömmerda angesiedelt werden konnten, eine neue Anstellung.

Literatur

Sommer, Stefan: Lexikon des Alltags der DDR. Von >>Altstoffsammlung<< bis >>Zirkel schreibender Arbeiter<<, Berlin 1999.

Mitteldeutscher Rundfunk (MDR) Leipzig (Hg.): Alltag in der DDR: Menschen, Bilder, Dokumente, Augsburg 2004.

Friedrich-Ebert-Stiftung Bonn (Hg.): Der Alltag in der DDR, Bonn 1986.

Fischbach, Günter (Hg.): DDR-Almanach '90. Daten Informationen Zahlen, Stuttgart (u.a.) 1990.

Kleiner, Franziska (Hg): Was von der DDR blieb, Berlin 2009.

Meyers Jahresreport 1990. Was war wichtig? 1.7.1989 - 30.6.1990, Mannheim (u.a.) 1990.

Robotron und Telefon sind Zauberworte für DDR-Kooperationen. Bei DV und dem Telefonnetz schalten sich Westfirmen ein, In: Computerwoche, Heft 19/1990. www.computerwoche.de/heftarchiv/1990/19/1145760/ (23.04.2008)

Tageszeitungen, Ausgaben 1990: Neues Deutschland und Berliner Zeitung

(nw)